Im kommenden Jahr wird in Glogau das Andreas-Gryphius-Theater fertiggestellt. Zur Eröffnung soll ein einwöchiges Festival mit Gast-Ensembles aus Deutschland und Polen stattfinden. Der Bau wurde Ende 1945 zerstört. Seitdem stand im Stadtzentrum neben dem Rathaus die Ruine. Glücklicherweise wurde sie nicht abgerissen.
Das Theater wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts eröffnet. Entworfen hat es Christian Valentin Schultze, ein Architekt aus Potsdam, der in Glogau auch die Garnisonskirche projektiert hat, die als besonders spannendes Beispiel des frühen Klassizismus in Schlesien gilt. Ab 1804 war Schultze Dozent in der Königlichen Schule für Kunst, Bau und Handwerk in Breslau.
Enzyklopädien geben an, dass Friedrich Liszt in dem Theater 1843 auf einem speziell hergestellten Flügel mit doppeltem Boden spielte. Zwanzig Jahre später wurde in einer Nische über dem Eingang eine Büste von Andreas Gryphius (1616-1664) angebracht. Der Dichter, der in Glogau geboren und verstorben ist, gilt als der herausragende Vertreter der schlesischen Barockschule.
Andreas Gryphius schrieb Sonette und Oden, Komödien und Tragödien und firmiert als Schöpfer des bürgerlichen deutschen Dramas. Er studierte in Polen und konnte Polnisch. Er übertrug lateinische Werke von Maciej K. Sarbiewski ins Deutsche und schrieb das Singspiel „Piastus” über die Anfänge des polnischen Staats, das als erste deutsche Oper gilt.
Seine Kindheit fiel in die Zeit des dreißigjährigen Krieges, seine Eltern starben an Hunger und Epidemie. Er war lutheranisch und wegen religiöser Verfolgung versteckte er sich mit dem Stiefvater in Polen. In Fraustadt (Wschowa) absolvierte er das Gymnasium, dann studierte er in Danzig. Konsequent blieb er christlichen Lebensprinzipien treu und sprach sich gegen den Krieg aus.
Er reiste viel. Wie seine Biografen schreiben, fuhr er 1644 mit dem Stettiner Kaufmann Wilhelm Schlegel nach Frankreich und Italien. Nach Glogau kehrte er drei Jahre später über Straßburg, Amsterdam und Stettin zurück.
1957 wurde in Deutschland der Andreas-Gryphius-Literaturpreis erstmals verliehen, der seit fast 30 Jahren in Glogau vergeben wird, und zwar an Autoren, die sich in ihren Werken für die Verständigung zwischen Deutschen und ihren östlichen Nachbarn verdient gemacht haben. Unter den Preisträgern sind unter anderem: Stefan Chwin, Paweł Huelle, Karl Dedecius, Arno Surminski, Andrzej Szczypiorski, Leonie Ossowski.
Seit ein paar Jahren gibt es in Glogau das internationale Andreas-Gryphius-Theater-Festival.
Viele Jahren mühte sich die Stadt das Theater wiederaufzubauen, doch es fehlte ständig Geld. Letztendlich bekam sie rund 14 Millionen Złoty aus EU-Fonds, die vom Ministerium für Kultur und nNtionales Erbe verwaltet werden. Etwa 15 Prozent der Baukosten deckt Glogau.
Der rekonstruierte Bau, dessen Mitte der Theatersaal bildet, wird Teil des Städtischen Kulturzentrums. Theateraufführungen, Konzerte und Konferenzen sollen stattfinden.
(b)