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Ein Menschenfreund im Kriege

Data publikacji: 28 marca 2019 r. 12:28
Ostatnia aktualizacja: 28 marca 2019 r. 12:28
Ein Menschenfreund im Kriege
Franz Stock Foto: Centre Internatrional Franz Stock, Chartres (Frankreich)  

Im Weltkrieg hat Deutschland unermessliches Leid über viele Völker gebracht. Das war nur möglich, weil kaum jemand Widerstand geleistet haben. Wenige, viel zu wenige haben die Wahrheit gesagt, einen Juden oder einen Deserteur versteckt oder einem Kriegsgefangenen Brot gegeben.

Diese wenigen haben es verdient, dass wir uns ihrer dankbar erinnern. Diese Erinnerung hilft uns, uns denen in den Weg zu stellen, die heute Hass und Menschenverachtung propagieren.

Franz Stock hat als Kind den Ersten Weltkrieg erlebt. Er wünschte sich eine Zukunft ohne Krieg und Hass zwischen den Völkern. Deshalb engagierte er sich bei deutsch-französischen Jugendtreffen, wurde Priester und ging zum Studium nach Paris. Nach dem Studium lernte er polnisch, um die in seiner Gemeinde lebenden Polen betreuen zu können.

Dann wurde er nach Frankreich berufen. Dort war er katholischer deutscher Gefängnispfarrer im hitlerdeutsch besetzten Paris. Er hat weit über 1.000 zum Tode verurteilter Franzosen bis zur letzten Minute ihres Lebens begleitet. Er hat Zigaretten und Nachrichten geschmuggelt und Angehörige gewarnt. Er hat heimlich Aufzeichnungen über die Verbrechen angefertigt und auch damit sein Leben riskiert. Aus den Namen und Notizen lässt sich ablesen, dass unter den zum Tode verurteilten auch Polen und Juden waren, die sich dem französischen Untergrund angeschlossen hatten.

Nach dem Krieg war er Leiter eines Priesterseminars für kriegsgefangene Deutsche. Es war das größte Priesterseminar, das es je gegeben hat. Es bekam den Namen „Seminar hinter Stacheldraht”.

Seit ich mich mit dem Thema Versöhnung beschäftige, stoße ich immer wieder darauf, dass oft die Impulse zur Versöhnung von den Opfern ausgehen. So auch in Frankreich.

Schon während des Krieges hat es Wissenschaftler, Politiker und Kirchenleute gegeben, die sich öffentlich für eine Versöhnung mit Deutschland ausgesprochen haben. Schon während des Krieges! Deshalb fand dieses Priesterseminar die Unterstützung der französischen Bischöfe und des späteren Papstes Johannes XXIII, der zu dieser Zeit Nuntius in Frankreich war.

Stock war in Deutschland unbekannt. Kein Wunder. Er hat heimlich gehandelt. So war das, so ist das in der Weltgeschichte. Die Verbrecher handeln öffentlich. Die Menschenfreunde müssen heimlich handeln. Manche werden erst nach Jahrzehnten entdeckt und geehrt. Viele bleiben für immer unbekannt und ungeehrt.

Nach dem Krieg haben die Franzosen die Deutschen auf Franz Stock aufmerksam gemacht: Wisst ihr, was ihr für einen guten Landsmann habt? Einen Helden! Einen Menschenfreund!

Die Verehrung für Stock in Frankreich ist beeindruckend. Der Platz vor der Hinrichtungsstätte nahe Paris ist nach ihm benannt. Wo in der Welt gibt es das noch einmal, dass an einem Ort deutschen Verbrechens ein Deutscher geehrt wird? In der nordfranzösischen Kathedrale Notre-Dame de Bayeux wurden 2014 neue Glocken eingeweiht. Sie tragen die Namen der Schwestern Rose und Edith Stein und von Franz Stock.

Katholische Christen in Deutschland und Frankreich bemühen sich um die Seligsprechung von Franz Stock.

1963 haben katholische Bischöfe aus Deutschland und aus Polen sich gemeinsam für die Heiligsprechung von Maximilian Kolbe eingesetzt. In meinen Augen würde Franz Stock eine ähnliche neue deutsch-polnische Initiative einigen.

Es gibt eine Ausstellung über Franz Stock. Bisher wurde sie in den Wojewodschaftsbibliotheken von Zielona Góra, Wrocław und Gorzów Wielkopolski gezeigt. Demnächst wird sie im Museum Międzyrzecz gezeigt und danach in der evangelischen Kirche in Legnica. Noch nie war eine katholische Gemeinde, Kloster oder Seminar in Polen Gastgeber für diese Ausstellung, obwohl ich schon bei vielen nachgefragt habe. Das macht mich, den evangelischen Pfarrer aus Deutschland, der sich dafür einsetzt, dass der Katholik Franz Stock auch in Polen bekannt wird, sehr nachdenklich.

* * *

In meinen Augen zeichnet Franz Stock eine Eigenschaft ganz besonders aus: Demut. Demut, eine der edelsten christlichen Tugenden, öffnet die Augen für das Leiden und die Not der anderen. Deshalb hat Stock bedingungslos denen geholfen, die den Tod vor Augen hatten. Demut hat noch eine andere wichtige Eigenschaft. Sie öffnet auch die Augen für das Versagen und die Verbrechen des eigenen Volkes, der eigenen Religion. Demut öffnet die Augen dafür, dass auch andere Menschen und Völker Kultur und Geschichte und Träume haben.

Und da gibt es noch viel zu entdecken. Auch im deutsch-polnischen Verhältnis.

Als Schlesien und Pommern noch deutsch waren, hat es da nicht nur Hitler-Anhänger und Verbrecher gegeben, sondern auch Helden der Mitmenschlichkeit. Sie haben alle heimlich gehandelt. Deshalb wurden sie nicht bekannt. Deshalb ist es heute so schwer, Spuren ihres Wirkens zu finden. Aber auch sie haben es verdient, entdeckt und geehrt zu werden.

Wie das aussehen kann, bringt in eindrucksvoller Weise die kleine evangelische Kirche in Wrocław zum Ausdruck. Im Dezember wurden dort vier Buntglasfenster eingeweiht. Sie zeigen Dietrich Bonhoeffer und Edith Stein. Beide wurden im damals deutschen Breslau geboren. Bonhoeffer ist Märtyrer des Widerstandes in der evangelischen Kirche. Die konvertierte Jüdin Stein wird als Heilige von der katholischen Kirche verehrt. Zwei andere Fenster zeigen Maximilian Kolbe und Juliusz Bursche. Das Schicksal von Kolbe ist bekannt. Der spätere evangelische Bischof Bursche hat sich während des Ersten Weltkrieges auf internationaler Ebene für das Wiederentstehen des polnischen Staates eingesetzt hat. Deshalb hassten ihn die Nazis. Deshalb starb er im Nazi-Gefängnis.

Diese 4 Fenster sind sehr bemerkenswert, denn bisher gibt es nur sehr wenige Kirchen in Europa, in denen an einen Märtyrer einer anderen Konfession erinnert wird.

* * *

Stein und Bonhoeffer, Kolbe und Bursche sind bekannt. Aber es gibt noch viele unbekannte oder wenig bekannte Helden der Mitmenschlichkeit. In Deutschland genauso wie in Polen. Suchen wir sie gemeinsam, ehren wir sie gemeinsam!

Erich BUSSE

Pfarrer im Ruhestand aus Dresden, spricht fließend polnisch, pflegt deutsch-polnische Kontakte, mit dem ökumenisch orientierten Preis der polnischen Adam-Chmiekowski-Brat-Albert-Stiftung für sein Wirken im Sinne der deutsch-polnischen Versöhnung und der evangelisch-katholischen Annäherung geehrt.

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