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Auf der Zielgeraden

Data publikacji: 28 marca 2019 r. 12:28
Ostatnia aktualizacja: 28 marca 2019 r. 12:28
Auf der Zielgeraden
Die Plenarsitzung des Europäischen Parlaments in Straßburg Foto: Catherine DOKKEN, © European Union  

In zwei Monaten, vom 23.-26. Mai, gehen Europäerinnen und Europäer wählen. In Deutschland und Polen finden die Wahlen am 26. Mai statt. Die Polen wählen 52 und die Deutschen 96 Abgeordnete. Nach Austritt von Großbritannien sitzen im Parlament insgesamt 705 Personen.

Alles deutet daraufhin, dass das folgende, neunte Europäische Parlament stärker polarisiert sein wird als das gegenwärtige. Euroskeptische Kräfte werden eine noch größere Rolle spielen und die Zusammensetzung der gegenwärtigen Koalitionen wird sich verändern. Das stellt die politischen Parteien in den Mitgliedsländern der Europäischen Union vor neue Herausforderungen. Die Frage, wie die Mandatsaufteilung aussehen wird und was das für die Zukunft Europas bedeutet, ist bei diesen Wahlen von besonderer Bedeutung.

Gruppierungen und Familien

Die nationalen Parteien in Europa bilden Familien. Ihre Mitglieder verbinden gemeinsame Auffassungen und Werte. Im Europäischen Parlament treten sie unter der Bezeichnung politische Gruppierungen auf. Die größte Gruppierung ist zur Zeit die Europäische Volkspartei (EVP) mit Christdemokraten und Konservativen. Aus Polen gehören Bürgerplattform (PO) und Bauernpartei (PSL) dazu, aus Deutschland CDU und CSU. Die EVP zählt 217 Mitglieder, davon 22 aus Polen und 34 aus Deutschland.

Die nächstgrößere Gruppierung ist die Progressive Allianz der Sozialisten und Demokraten (S&D) von zur Zeit 186 Europaabgeordneten. Aus Polen befinden sich in dieser Gruppierung 3 Abgeordnete des Bündnisses der demokratischen Linken (SLD), die parteilose Lidia Geringer de Odenberg und Adam Gierek von der Arbeitsunion (Unia Pracy), aus Deutschland 27 SPD-Abgeordnete.

Die deutschen FDP-Abgeordneten (3) verstärken die Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE), die 68 Europaabgeordnete zählt, und die deutschen Grünen die Gruppierung der Grünen/Europäische Freie Allianz (Grüne EFA), die im ganzen aus 52 Abgeordneten besteht, davon 13 aus Deutschland.

Polnische Abgeordnete befinden sich auch in der Allianz Europäische Konservative und Reformer (EKRE), die 75 Abgeordnete zählt, vor allem britische Konservative, 14 Abgeordnete der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und vier unabhängige Abgeordnete. Außerdem gibt es sie auch in der Gruppierung Europa der Freiheit und der direkten Demokratie (EFDD) mit 41 Abgeordneten, davon einer aus der Partei von Janusz Korwin-Mikke.

Diese Mandatsaufteilung führt dazu, dass bei sehr vielen Abstimmungen im Europäischen Parlament Christdemokraten und Konservativen mit den Sozialdemokraten zusammengehen, weil so eine Mehrheit für ein konkretes Vorhaben herstellbar ist. Oft schließen sich dem die Liberalen an.

Neue parlamentarische Machtverhältnisse

Wenn es in dem neu gewählten Europäischen Parlament keine Briten mehr gibt, übernehmen Abgeordnete aus anderen Ländern ihren Platz. Das würde die parlamentarischen Machtverhältnisse verändern, denn durch einen Wegfall der Briten würden 73 Plätze frei.

In vielen Ländern der Europäischen Union unterstützen mehr Wähler*innen tendenziell konservative und euroskeptische Kandidaten. Das lässt darauf schließen, dass diese den anderen Parteien Stimmen wegnehmen werden.

Regelmäßig durchgeführte Untersuchungen zum „Parteienbarometer“ von Olaf Wientzek von der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigen, dass im neuen Parlament die EVP weiterhin die größte Gruppierung bilden wird. Trotz Verlusten in den größeren Ländern wird sie etwa 171 bis 195 Mandate auf sich vereinigen, also 24-28 Prozent (gegenüber aktuell 29 Prozent) erreichen. Das wären also moderate Verluste. Falls es zum Brexit kommt, trifft der Wegfall der britischen Mandate diese Gruppierung weniger stark als andere. Zum Vergleich: Aus demselben Grund würden die Sozialdemokraten von 25 auf 19 Prozent fallen.

Als Konsequenz der prognostizierten Verminderung der Mandate für die Koalition von Christdemokraten und Konservativen mit den Sozialdemokraten könnte die gegenwärtige sogenannte „Große Koalition“ im kommenden Parlament ihre Mehrheit verlieren. Zu deren Aufrechterhaltung wäre dann ein dritter Partner notwendig. Unter bestimmten Bedingungen wäre es möglich, eine parlamentarische Mehrheit der Gruppierungen von Christdemokraten und Konservativen, Sozialdemokraten, Liberalen (plus der Partei von Emmanuel Macron) und den Grünen/EFA mit ungefähr 65-72 Prozent der Mandate zu bilden. Sollte es so kommen, wäre bei den Abstimmungen mit Ad-Hoc-Koalitionen zwischen eben diesen Parteien zu rechnen.

Rechtsextreme (Europa der Nationen und der Freiheit, ENF) und linke Gruppierungen  (Vereinigte europäische Linke / Nordische Grüne Linke, VEL/NGL) könnten zusammen ungefähr 20 Prozent der Mandate erringen. Wenn eine neue Gruppierung, eventuell unter Führung der italienischen Fünf-Sterne-Bewegung, hinzu käme (die Partei hat sich noch nicht festgelegt), dann 22-24 Prozent. Zusammen könnten diese Gruppierungen etwa ein Drittel der Mandate stellen.

Diese Spekulationen basieren auf aktuellen Umfragen und Analysen, deren Methoden sich bei Wahlen zum Europäischen Parlament bewährt haben. Viele Fragen können allerdings nicht in den ersten Wahltagen geklärt werden, sondern erst, wenn es zur Bildung parlamentarischer politischer Gruppierungen kommt. Erst danach können einzelne unabhängige Abgeordnete bestimmte politische Gruppierungen verstärken und damit über deren letztendliche Stärke entscheiden.

Die Höhe der Wahlbeteiligung ist entscheidend

Für die Aufteilung der Mandate könnte sich die Höhe der Wahlbeteiligung als entscheidend erweisen. Denn davon hängt ab, wie viele Mandate eine Partei in einem konkreten Land erobern kann. Bei den letzten Wahlen zum Europäischen Parlament betrug die Wahlbeteiligung 42,97  (2009) und 42,61 Prozent (2014). In Deutschland lag sie verhältnismäßig hoch und steigerte sich von 43,27 (2009) auf 48,10 Prozent (2014). In Polen war es umgekehrt. Polen lag mit seiner Wahlbeteiligung ganz am Ende der Liste der Länder der EU. 2009 gingen nur 24,53 Prozent der wahlberechtigten Polen zur Wahl und 2014 nur noch 23,83 Prozent.

Einflussreiche Spitzenkandidaten 

Der Verlauf der Wahlkampagne und Wahlausgang werden auch von den Spitzenkandidaten beeinflusst, die jede Parteienfamilie aufstellt. Die deutsche Bezeichnung „Spitzenkandidaten“ wurde in vielen Ländern der EU übernommen, in denen es keine eigene Bezeichnung dafür gibt.

Die Parteienfamilien benennen eine Person, die im Fall des Wahlsiegs einer der politischen Formationen den Vorsitz der EU-Kommission übernehmen soll. So war es wenigstens nach den Wahlen 2014, als der Christdemokrat Jean Claude Juncker Vorsitzender wurde, nachdem die EVP die meisten Mandate errungen hatte.

Die Besetzung des Chefpostens der Europäischen Kommission wird aber auch durch die Zusammensetzung des Europarats beeinflusst. Dort sitzen die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer, die ja auch eigene Interessen verfolgen. Und eben diese Institution schlägt vor, wer Vorsitzende oder Vorsitzender der EU-Kommission werden soll, die oder der dann noch vom Europäischen Parlament bestätigt werden muss.

Schwierige Vorhersagen

In der gegenwärtigen Wahlkampfphase fällt es schwer eindeutig vorherzusagen, wie das kommende Europäische Parlament aussehen wird. Alles deutet daraufhin, dass die pro-europäischen Kräfte in der Mehrheit sein werden, aber auf jeden Fall wird es insgesamt differenzierter aussehen als zur Zeit. Euro-skeptische Kräfte werden eine größere und negative Rolle spielen, insbesondere dann, wenn es ihnen gelingt, sich in zwei großen politischen Gruppierungen zu organisieren. Das kann gleich zu Beginn das Funktionieren des neuen Parlaments verzögern. Denn die Berufung der EU-Kommission durch den Europarat wird sich mit Sicherheit einige Zeit hinziehen, so dass die EU für eine bestimmte Zeit nicht handlungsfähig wäre. Währenddessen können Migrations- und Sicherheitspolitik, Ausarbeitung des mehrjährigen EU-Haushalts oder Fragen nach der generellen Gestalt der EU nicht lange warten. In einem polarisierten EU-Parlament wird es auch in den folgenden Jahren schwieriger werden neue Lösungen zu suchen.

Agnieszka ŁADA

Direktorin des Europäischen Programms im Institut für Öffentliche Angelegenheiten in Warschau, eines unabhängigen, auf europäische und deutsch-polnische Themen spezialisierten Analyse-Zentrums.

 

Mehr zum Thema möglicher Entwicklungsszenarien nach den Wahlen zum EU-Parlament findet sich in den Analysen des „Parteienbarometers“ von Olaf Wientzek aus der Konrad-Adenauer-Stiftung: www.kas.de

Informationen zu den Wahlen zum EU-Parlament finden sich auf der Seite des EU-Parlaments: www.tymrazemglosuje.eu, www.diesmalwaehleich.eu

 

Aus dem Polnischen von Ruth HENNING

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