Vom 4. bis zum 6. Oktober fand das Projekt „Hermann Stöhr – Stanisław Kubicki” statt, an dem 16 Schüler der Klasse 2D des Stettiner Lyzeums Nr. 9 und der Redaktion der Schülerzeitung „IX Wrota” teilgenommen haben. In diesem Artikel werden wir über unsere Eindrücke berichten.
Die Organisatoren des Projekts waren die Zeitung „Kurier Szczeciński” in Zusammenarbeit mit dem Verein „Städepartner Stettin e.V.” Mit allen finanziellen Angelegenheiten haben sich das Jugendwerk (Stettin, Potsdam) und der Verein beschäftigt. Moderatoren waren Ewa Maria Slaska (Städepartner Stettin e.V.) und Bogdan Twardochleb („Kurier Szczeciński”). Am Tag vor unserer Reise nach Berlin hat uns Herr Twardochleb das Programm genauer vorgestellt. Der erste Punkt war die Geschichte der zwei Schirmherren unseres Projekts und ihrer Gemeinsamkeiten.
Hermann Stöhr
Hermann Stöhr, am 4. Januar 1898 in Stettin geboren und am 21. Juni 1940 in Berlin verstorben, war ein deutscher Pazifist und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Stöhrs pazifistische Grundhaltung rührte aus seinen Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg, für den er sich als Freiwilliger gemeldet hatte. 1931 verlor er seine wissenschaftliche Hilfsstelle bei der Inneren Mission, weil er für eine Aussöhnung mit Polen eintrat. Arbeitslos kehrte er in seine Geburtsstadt Stettin zurück und gründete dort 1936 den Ökumenischen Verlag Stettin. 1939 verweigerte er zweimal den Einberufungsbefehl. Daraufhin wurde er am 31. August 1939 verhaftet und ein paar Monate später wegen Wehrdienstverweigerung zum Tode verurteilt. Nach ihm ist der Hermann-Stöhr-Platz in Berlin benannt.
Stanisław Kubicki und Sohn
Einer der interessantesten Punkte des Programms war das Treffen mit dem 92-jährigen Stanisław Karol Kubicki, dem Sohn von Stanisław Kubicki. Kubicki war Professor der Freien Universität Berlin, die er mitgegründet hat. Sein Vater war der bekannte polnische Maler Kubicki, der während des Zweiten Weltkriegs als Soldat im polnischen Widerstand kämpfte.
Es war uns eine Ehre Stanisław Karol Kubicki zu treffen. Es stellte sich heraus, dass er ein humorvoller und lebendiger Mensch ist. Kubicki jn. erzählte uns viele interessante Geschichten aus seinem Leben und dem seines Vaters. Sein Vater war in Berlin sehr anerkannt. „Immer wenn er zum Beispiel in eine Bar eintrat, verstummten alle Gespräche”, sagte er.
Wir hatten auch die Gelegenheit, Orte zu besichtigen, an denen Stanisław Kubicki sich aufgehalten hat.
Während des Zweiten Weltkriegs fuhr Stanisław Kubicki zwischen Berlin und Warschau in geheimer Mission für den polnischen Untergrund hin und her. In Warschau wurde er von der Gestapo verhaftet und 1942 im Gefängnis von Pawiak zu Tode gequält. Der Höhepunkt des Besuchs in Berlin war die Schweigeminute, die wir vor dem Stolperstein vor Kubickis Haus eingelegt haben. Die Zeit, die wir dort verbracht haben, war echt rührend!
Multikulturelles Kreuzberg
Während dieses Projekts konnten wir Berlin von einer ganz anderen Seite sehen. Vor allem haben wir Kreuzberg zum ersten Mal besucht. Am Anfang fürchteten wir uns davor., denn es löste bei uns schlechte Assoziationen aus. „Flüchtlinge, Vergewaltigungen, Drogen” – so sagten alle. Jetzt, wissen wir, dass unsere Befürchtungen übertrieben waren. Es herrscht eine bezaubernde Atmosphäre. Da gibt es wunderbare Gebäude, viele Restaurants, spannende Menschen und vieles andere. Es ist uns auch gelungen, Moscheen zu besuchen. Die Entdeckung einer neuen Kultur war wirklich eine gute Erfahrung für uns. Nach diesem Besuch konnten wir mit reinem Gewissen zustimmen, dass man nie auslernt.
Neue Freunde
Bei diesem Projekt haben wir mit den Kindern aus der Marianne-Cohn-Sonderschule gearbeitet. Das ist eine Schule für behinderte Kinder. Deshalb waren wir in kleine Gruppen aufgeteilt: Immer eine Person aus der deutschen und zwei Personen aus der polnischen Schule. Manchmal waren unsere deutschen Kollegen ein bisschen distanziert, aber das heißt nicht, dass wir keine gute Zeit verbracht haben. Ich finde, dass junge Leute in Polen lernen sollten, wie man mit behinderten Menschen umgeht. In Deutschland gibt es Inklusion, das bedeutet, dass jeder Mensch in seiner Individualität von der Gesellschaft akzeptiert wird und die Möglichkeit hat, in vollem Umfang an ihr teilzuhaben.
Als wir anfangs von einem Treffen mit Flüchtlingen gehört haben, waren wir ein bisschen entsetzt. Wir hatten viel in den Medien über Flüchtlinge gehört, wobei diese Nachrichten meistens falsche Klischees über solche Menschen vermittelt hatten. Als wir gemeinsam syrische Gerichte gekocht haben, hatten wir die Chance, diese Menschen kennenzulernen. Sie kommen aus verschiedenen Ländern wie Syrien oder Irak und jeder von ihnen hat eine andere, ungewöhnliche Geschichte. Die Flüchtlinge waren sehr offen, haben selbst das Gespräch begonnen und über ihr Leben erzählt. Wir alle waren sehr zufrieden, dass sie mit uns nach Stettin gefahren sind und wir noch länger sprechen konnten. Dieses Treffen ist ein Beispiel dafür, dass Stereotype nur Verallgemeinerungen sind. Es lohnt sich, sich zu überzeugen, wie die Wirklichkeit aussieht.
Stöhrs Spuren in Stettin
Als wir mit den Geflüchteten in Stettin angekommen sind, haben wir eine Stadtrundfahrt auf den Spuren Hermann Stöhrs gemacht. Wir besuchten mit unseren Gästen die Pommersche Bibliothek, um uns mit Archivdokumenten, Zeitungen und Hermann Stöhrs originellem Buch bekanntzumachen. Am nächsten Tag hat uns Herr Twardochleb Hermann Stöhrs früheres Wohnhaus und den Ort, wo sich einst sein Gymnasium befand, gezeigt. Danach haben wir im Café an der Jasne Błonia Kaffee getrunken. Während des zweitägigen Aufenthalts in unserer Stadt haben die Geflüchteten auch zweimal polnische Speisen probiert.
Unsere Eindrücke
Es war eine sehr aufschlussreiche Erfahrung für uns. Wir haben viel gelernt, zum Beispiel wie man mit behinderten Menschen umgehen soll. Sie sind keine schlechteren Menschen, aber manche Leute in Polen denken immer noch so und dieses Thema wird in unserem Heimatland unterschätzt. Dank diesem Projekt haben wir viel über Stanisław Kubicki und Hermann Stöhr, aber auch über das alte Berlin und Stettin gelernt. Wir haben mit Flüchtlingen gesprochen und unsere Meinung zu ihnen total geändert. Als Fazit kann man sagen, dass wir uns toll amüsierten.
Autoren: Oliwier ARNING, Oliwier CZYŻEWSKI, Miłosz DZIOMBRA, Jakub GOLLA, Karolina KULAS, Karol KULAS, Wojciech LEWCZYCKI, Konrad MISZKIEWICZ, Marta MURAWSKA, Katarzyna SAMOLUK, alle aus der Klasse 2D des Lyzeums Nr. 9 in Stettin
Die Schüller der Marianne-Cohn-Sonderschule (Berlin) und des Lyzeums Nr. 9 in Stettin mit Prof. Stanisław Karol Kubicki, dem Sohn von Stanisław Kubicki.
Foto: Aleksandra KOZIOŁ