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Im Leerlauf

Data publikacji: 22 lutego 2018 r. 12:54
Ostatnia aktualizacja: 28 czerwca 2018 r. 11:44
Im Leerlauf
Es war einmal... Die deutsch-polnische Grenze als Trennlinie zweier Gesellschaften. Doch was bringt die Zukunft? Foto: Bogdan TWARDOCHLEB  

Seit längerer Zeit schon herrscht Leerlauf in den deutsch-polnischen Beziehungen. Obwohl beide Seiten Maßnahmen ergriffen haben (wie sinnvoll sie sind, möchte ich hier gar nicht bewerten), gelang es bei vielen Themen nicht, eine gemeinsame Politik zu erarbeiten. Die deutsch-polnische Partnerschaft, nach 1989 mit viel Mühe aufgebaut, ist offenbar in der Mottenkiste der Geschichte gelandet. Wie sehen unsere Beziehungen in Zukunft aus? Ist ein Kompromiss möglich in den Fragen, die Warschau und Berlin so sehr trennen?

Die bilateralen Beziehungen zwischen Warschau und Berlin spielen längst keine eigenständige Rolle mehr, sondern resultieren heute aus der Situation in Europa und den Beziehungen innerhalb der EU. Warschau steht derzeit vor einem Dilemma: Soll man zugunsten wachsender innenpolitischer Zustimmung die Konfrontation mit den ausländischen Partnern vertiefen? Oder besser Abschied nehmen von Maßnahmen, die international in die Isolation führen, und in einen konstruktiven Dialog mit der EU und den Deutschen treten? Auch Berlin steht vor einer Entscheidung – der vielleicht wichtigsten der letzten 25 Jahre. Polen ist ein demokratischer Staat und Mitglied internationaler Organisationen. Seit Dezember 2017 wird jedoch gegen das Land Artikel 7 über die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit des EU-Vertrags angewandt. Können in einer solchen Situation die bilateralen Beziehungen überhaupt normal sein? Kann die ausgezeichnete Entwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit beider Staaten Defizite bei den politischen Kontakten sowie die Kontroversen um die Nichteinhaltung des EU-Rechts durch Warschau ausgleichen?

Fehlendes Vertrauen

Konflikte und Missverständnisse in den deutsch-polnischen Beziehungen nach 1990 sind nichts neues. Neu aber ist jetzt, dass beide Seiten immer stärker auseinandergehende Erwartungen haben. Polen setzt auf eine sogenannte Politik der Würde und fordert Akzeptanz, zumindest aber Stillschweigen, für seine Entscheidungen in der Innen- und Außenpolitik. Deutschland hingegen erwartet von seinem Partner aktive Unterstützung in der europäischen Politik. Beide Seiten hoffen auch auf Solidarität bei Schlüsselfragen: Deutschland in der Flüchtlingspolitik, Polen in der Energie- und Ostpolitik.

Nach 2015 haben sich die Gegensätze zwischen Polen und Deutschland verstärkt – im Hinblick auf die Zukunft der europäischen Integration ist jetzt kein guter Moment, um Streitfragen zu vertiefen. Fehlende Verständigung zwischen Polen und Deutschland bei wichtigen europäischen Themen kann nämlich enorme Auswirkungen entwickeln. In Europa diskutiert man über eine „Differenzierung der Integration”, über das „Europa der zwei Geschwindigkeiten” und über die Stärkung der Länder der Eurozone. Polen nimmt an den Debatten über diese Projekte nicht teil und droht so an Europas Peripherie gedrängt zu werden. Andererseits wäre dies ein klares Zeichen für ein Fiasko der EU-Integration mit dem postkommunistischen Europa, die bislang als historischer Erfolg gilt.

Aktiva und Passiva

Eins der verbindenden Elemente zwischen Polen und Deutschland ist, unabhängig von den aktuellen bilateralen Beziehungen, das starke wirtschaftliche Band. Polen wie das gesamte Mittel- und Osteuropa ist ein wichtiger Wirtschaftspartner Deutschlands, vielleicht wichtiger als Frankreich. Gemeinsam ist auch die Sicherheitspolitik. Als NATO-Mitglied schützt Polen auch Deutschland von Osten her. Es profitiert von EU-Geldern zur Förderung des Wirtschaftswachstums, aber auch zum Ausbau der Infrastruktur, was sich auch für Deutschland lohnt. Die Finanzkrise hat jedoch die Aussicht auf einen schnellen Beitritt Polens zur Eurozone begraben.

Sind die engen wirtschaftlichen Verbindungen genug Fundament für die weitere, zumindest solide Entwicklung der deutsch-polnischen Beziehungen? Wirkt sich veränderte polnische Innenpolitik nicht auch auf das Investment der deutschen Wirtschaft in Polen aus? Mit Sicherheit dienen Attacken auf das deutsche Kapital, zum Beispiel als Eigentümer von Medienunternehmen in Polen, nicht der Zusammenarbeit. Der Vorwurf lautet: Einflussnahme auf das Stimmungsbarometer in Polen über dort herausgegebene Regionalzeitungen, obwohl es für diese Behauptung keine reale Grundlage gibt. Eher folgt sie der Überzeugung, dass, solange das Kapital einem Ausländer gehört (einem Deutschen!), er dem „guten Wandel” der PiS abgeneigt sein muss.

In der europäischen Politik hegt Warschau Zweifel an der führenden Rolle Deutschlands in der EU und seiner Fähigkeit, mit Konfliktsituationen umzugehen. Beispiele sind die Energiepolitik, die Euro-Krise und die Flüchtlingspolitik. Zudem widersetzt sich Warschau auch gegen die Rolle Deutschlands als normative Kraft, die verpflichtende Standards setzt. Und in der vertieften Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich sieht es eine Abkehr vom offenen Dialog mit Mittel- und Osteuropa. Was aber schlägt Warschau im Gegenzug vor? Wurde auch nur ein Alternativvorschlag von den Partnern akzeptiert?

Leerlauf und konstruktive Beziehungen

Polen und Deutschland agieren politisch nicht im luftleeren Raum und müssen – ob es ihnen gefällt oder nicht – den Leerlauf beenden und Verständigung in konkreten Fragen suchen. Ist das möglich? Beide Staaten sollten die Einheit des Kontinents stützen und nicht seine Integration und seinen Zusammenhalt schwächen. Deutschland muss sich darüber im Klaren sein, dass Polen heute paradoxerweise in zwei Rollen auftritt: als Rivale und Partner. Um sich dies bewusst zu machen, muss man das eigene Denken und Handeln ändern.

Die deutsch-polnischen Beziehungen sind ein Teil der europäischen Politik, deswegen ist die Erwartung Warschaus, Berlin möge sich in den Kontakten auf die bilateralen Beziehungen beschränken, ein Missverständnis.

Berlin erwartet eine Erneuerung des konstruktiven Dialogs mit der EU, um die anstehenden Probleme zu klären. „Gleichzeitig ist der politische Handlungsspielraum für beide Länder sehr begrenzt”, konstatierten Milan Nic und Jana Puglierin kürzlich im „Tagesspiegel”. „Polens strategischer Fokus liegt auf seiner nationalen und damit auch bilateralen Agenda, Berlin schaut auf die EU-Ebene. Diese Dynamiken und Perspektiven werden sich auch unter der neuen polnischen Regierung nur schwer verändern, zumal sich der Konfrontationskurs gegen Deutschland und Brüssel bislang für die PiS innenpolitisch ausgezahlt hat”.

Berlin steht also vor einem großen Dilemma. Auf der einen Seite unterstreicht man, dass es eine EU ohne Respekt der Rechtsstaatlichkeit nicht gebe, auf der anderen Seite ist man nicht interessiert die Gräben zu vertiefen. Eine EU ohne Polen und andere Länder der Region ist für Deutschland nicht denkbar. In der kürzlich ausgehandelten Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD sind die deutsch-polnischen Angelegenheiten im Kapitel „Ein neuer Aufbruch für Europa” vermerkt: „Von besonderer Bedeutung ist für uns ebenfalls die deutsch-polnische Partnerschaft”, heißt es dort. Die Koalition wolle die Zusammenarbeit mit Polen ausbauen, besonders mit der polnischen Zivilgesellschaft, was von Warschau nicht zwingend positiv aufgenommen werden muss. Angekündigt wird auch: „Wir werden die Zusammenarbeit mit Frankreich und Polen im Weimarer Dreieck intensivieren.”

Politik der kleinen Schritte

Um die Vorhaben umzusetzen, ist die Mitarbeit der anderen Seite unbedingt nötig. Sie muss spüren, dass es gemeinsame Interessen gibt. Kann Polen heute eine konstruktive Rolle in Europa spielen? Deutschland sollte Warschau überzeugen, dass eine solche Rolle von Vorteil ist und dass die Türen für Warschau in Europa weiterhin offen stehen. Kann man jedoch die Sache mit Artikel 7 isoliert betrachten, so dass sie sich nicht auswirkt auf die beiderseitigen Beziehungen? Und zu welchem Preis? Ist Berlin in der Hinsicht bereit für einen „faulen Kompromiss”? Westdeutschland hat das schon in den 80er Jahren bewiesen, als es Kontakte mit dem kommunistischen Polen unterhielt. Muss sich die Geschichte hier in gewisser Weise wiederholen?

Vielleicht muss es eine Politik der kleinen Schritte geben, die zumindest teilweise unabhängig von den Regierenden in Warschau und Berlin umgesetzt wird. Sie würde den Beginn eines konstruktiven Dialogs ermöglichen, der der gesamteuropäischen Sache zugute kommt. Nach Meinung des deutschen Politologen Kai-Olaf Lang ist heute eine aktive Politik in den deutsch-polnischen Beziehungen absolut notwendig. („Tagesspiegel” vom 28. Januar 2018). Sie könnte in drei Initiativen entfaltet werden. Polen und Deutschland könnten einen gemeinsamen Energiegipfel ausrichten, eine deutsch-polnische Innovationspartnerschaft etablieren und schließlich müssten die Außenminister (auch der französische) gemeinsam die osteuropäischen Staaten besuchen, um das Interesse an einer europäischen Ostpolitik zu erneuern. Zu diesen drei Initiativen schlage ich noch eine geschichtspolitische vor.

Die Rückkehr der Vergangenheit

Die deutsch-polnischen Beziehungen sind nach wie vor vom Einfluss der Geschichte geformt, auch wenn es Zeiten gab, in denen es schien, dass diese Dinge von Warschau nicht mehr so emotional betrachtet werden. Aber wundert es nicht, dass bislang noch in keiner Weise die Geschichte einvernehmlich ad acta gelegt wurde? Man kann eine gewisse Regelmäßigkeit feststellen. Jedes Mal, wenn in Polen eine konservative Regierung an der Macht ist (falls man PiS noch so nennen kann), werden Dinge aus der Vergangenheit hervorgeholt, die – angesichts offenkundig fehlender Ideen für die Gegenwart oder Zukunft – benutzt werden als innenpolitisches Instrument. Viele Polen akzeptieren das und sehen darin sogar einen Beweis polnischer Unabhängigkeit. Auch wenn schon Jahrzehnte vergangen sind, die Erlebnisse der 40er Jahren des 20. Jahrhunderts haben nach wie vor eine enorme emotionale und mobilisierende Wirkung. Infolge des Zweiten Weltkriegs hat Polen schwere Verluste erlitten und durch politische Entscheidungen der Großmächte seine Unabhängigkeit verloren. Das schafft die Basis, um ein soziales Gefühl von Unrecht aufrechtzuerhalten.

Warum aber geht dieses Gefühl nicht weg oder wird zumindest ausgeglichen durch den offenkundigen polnischen Erfolg des letzten Vierteljahrhunderts? Warum scheint es so leicht, mit historischen, entsprechend frisierten Bildern zu jonglieren, vornweg mit der Figur des ewig verratenen Opfers? Soziologen und Sozialpsychologen finden darin dankbaren Stoff für die Forschung.

Instrumentalisierung der Geschichte

All das wird heute leicht instrumentalisiert. Es genügt irgendeine unüberlegte Aussage eines Politikers oder Journalisten in den deutschen Medien, um in Polen einen Sturm der Entrüstung zu entfachen. Polnische Politiker arbeiten gekonnt mit Verweisen auf die Geschichte und auf scheinbar abgestandene Stereotypen. Sie kommen übrigens keineswegs ausschließlich zum Zuge als Reaktion auf irgendein Vorgehen von deutscher Seite. Eher werden sie gezielt dann heraufbeschworen, wenn man meint, man könne daraus Nutzen ziehen.

So werden Stereotypen also verarbeitet zum Brennstoff einer populistischen Art des Politikmachens. Diese Mechanismen sind nicht erst seit jetzt bekannt. Gleichzeitig stellt man Personen und ihr Lebenswerk in den Schatten, die – trotz schwieriger Erfahrungen – den Dialog gesucht und große Hindernisse überwunden haben, sowohl in der Welt der Politik als auch in den Seelen der Menschen. Kaum jemand mag heute noch an das „Wunder der Versöhnung” glauben (wird dieser Begriff noch benutzt?). Und das ist schließlich eine echte historische Errungenschaft unserer Gesellschaften. Die Lösung ist auch nicht die Musealisierung der deutsch-polnischen Beziehungen. Der Streit um die Ausstellung über den Zweiten Weltkrieg ist in der Hinsicht typisch. So wie es keinen Konsens gibt für eine gemeinsame Vision des Zweiten Weltkriegs, so schwer wird es auch, eine Sicht der Vergangenheit der deutsch-polnischen Beziehungen in den Ausstellungsräumen festzuhalten. Soll man also den Dingen ihren Lauf lassen in der Hoffnung, dass irgendwann die Geschichte den Forscherinnen und Lehrern überlassen wird?

Auch das geht nicht, solange die Vergangenheit für die Gesellschaft wichtig ist und – wie wir sehen – in gewisser Weise ständig lebendig. Ich bin weiterhin überzeugt von der Kraft symbolischer Gesten. Aus der Idee, ein Denkmal für die polnischen Opfer des Dritten Reichs zu bauen, könnte zweifellos eine solche Geste entstehen. Vielleicht sammelt sich darum positive Energie und lässt die guten Traditionen deutsch-polnischen Dialogs zurückkehren?

Krzysztof RUCHNIEWICZ

Historiker, Professor, Direktor des Willy-Brandt-Zentrums in Wrocław.

Inspiriert ist diese Skizze von einer Debatte über die deutsch-polnischen Beziehungen unter dem Titel „Polen und Deutschland. Welche Wege führen aus der Krise?”, die die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik DGAP und das Warschauer Instytut Wolności (Institut für Freiheit) initiiert haben. Die Debattenbeiträge sind im Berliner „Tagesspiegel” und in der Tageszeitung „Rzeczpospolita” zu finden.

Aus dem Polnischen von Nancy WALDMANN

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